Ein paar Meter regionales Leinen

Ein Interview mit Mira Durrer aus dem Vorstand von Fibershed DACH zum Thema regionales Leinen
von Kathrin, August 2023

Bei Fibershed DACH engagieren wir uns für den Aufbau regionaler Lieferketten in der Textilherstellung. Mira Durrer aus unserem Team macht es vor: sie arbeitet daran, ein Startup zu gründen, das regionales Leinen vom Faseranbau bis zur fertigen Meterware herstellt. Dabei möchte sie vor allem eine Lücke für Menschen schließen, die nur kleine Mengen verarbeiten - Solo-Selbständige, Maßschneidereien, auch Privatpersonen. Wir haben über lokales Leinen gesprochen, über Mindestmengen und Produktionszeiträume, über Träume von großen Hallen und warum es so schwierig ist, für landwirtschaftliche Produkte eine ständige Verfügbarkeit zu gewährleisten.

Liebe Mira, erzähl doch mal von dir - wer bist du und woran arbeitest du gerade?

Ich arbeite als Dozentin für Flachgewebe an der Schule für Gestaltung in Basel und leite dort seit Februar 2023 den Bildungsgang HF Textildesign (eine zweijährige Ausbildung zur Textildesigner:in). In dieser Position habe ich direkten Einfluss auf die Planung der Lehrinhalte und der Themen, die ich mit den Studierenden behandle. Themen, die mir sehr am Herzen liegen - Nachhaltigkeit und das Arbeiten mit regionalen Materialien -, kann ich direkt einbringen. Der Studiengang ist sehr familiär, pro Jahr werden nur sechs Studierende zugelassen.

Parallel dazu bin ich selbständig und arbeite an Kundenprojekten oder meinen eigenen. Zudem habe ich gerade den Master Design mit Spezialisierung Textil in Luzern abgeschlossen. Meine Masterarbeit beschäftigt sich mit lokalen Leinen (z.B. von SwissFlax), der Nutzung lokaler Ressourcen und dem Ermöglichen von Verbindung von Kleinstmengenherstellung zur Industrie. Mein Ziel ist die industrielle Herstellung von gewobener Meterware in Kleinstmengen zu ermöglichen und so für alle zugänglich zu machen. Bei mir können sich z.B. Modedesigner:innen, Stoffläden, Schneidereien oder auch Privatpersonen an einer Produktion beteiligen und auch kleine Mengen bestellen. Und erst, wenn die Mindestmengen meiner Weberei erreicht sind, dann wird der bereits verkaufte Stoff produziert.

viele verschiedene Webproben und Muster liegen übereinander auf einem Tisch

Musterherstellung auf dem Handwebstuhl.

 

Ich bin dann natürlich auf eine bestimmte Kette festgelegt, aber bei der Wahl des Schussfadens habe ich viel Spielraum. So kann ich mit verschiedenen Farben und Mustern auf dem Handwebstuhl Samples entwickeln. Diese Samples werden dann den Kund:innen verschickt oder können direkt über die Webseite angeschaut und an der Produktion beteiligt werden. Erst wenn die von der Weberei festgelegte Mindestmenge erreicht ist, wird die Produktion gestartet. So sind z. B. die ersten 100m Stoff entstanden, ein Testlauf, mit dem ich herausfinden wollte, ob und wie so eine Lieferkette funktionieren kann.

Flachs von Swissflax GmbH, Willadingen, CH

 

Warum Bastfasern?

Ich arbeite schon länger mit Swiss Flax zusammen, habe mit ihnen zusammen auch eine Kleiderkollektion entwickelt, und der Flachs hat mich dann einfach nicht losgelassen. Diese Faser hat so viel Potential, ich will fördern, dass sie vermehrt verwendet wird. Leider gibt es dazu derzeit lokal nicht die nötige Infrastruktur, um die Faser auch hier zu verarbeiten. Es werden zur Zeit ca. 7ha Flachs für Fasern angebaut, der Aufbau der verarbeitenden Infrastruktur wäre aber erst ab einer Anbaufläche von ca. 100 ha rentabel. Es ist also noch ein weiter Weg.

Wie geht es nach dem Masterabschluß weiter mit deinem Projekt?

Daraus soll ein Startup werden, das längerfristig funktioniert. Allerdings gilt es noch Antworten auf viele Fragen zu finden und Hürden zu meistern. Was bedeutet zbsp. lokal, wo ziehe ich die Grenze, wenn es in der Schweiz nicht das gibt, was ich brauche? Ich möchte beispielsweise nur mit ungebleichten Leinenfasern arbeiten, aber der Anbieter, den ich favorisiert hätte, bietet nur gebleichte Fasern an. Grund dafür ist seine eigene kleine Batchgröße und die fehlende Anfrage nach ungebleichtem Rohgarn. Deshalb wird derzeit ihre gesamte Produktion gebleicht. Das Stichwort ist auch hier die Abnahmesicherheit, die sich durch die gesamte Lieferkette zieht. In diesem Falle konnte ich also nicht so lokal bleiben, wie ich eigentlich wollte und wich dann auf einen anderen Anbieter aus, um handlungsfähig (und marktfähig) zu bleiben.

Was ist noch eine große Hürde dabei?

Die langen Produktionszeiten für lokale Leinengarne sind ein nicht unerheblicher Dreh- und Angelpunkt. Dieses Frühjahr wurde der Flachs gesät, den ich dann im nächsten Jahr gesponnen kaufen kann - und über so lange Zeiträume ist es sehr schwer, eine Nachfrage zu prognostizieren. Wie kann man solche langen Zeitspannen also marktfähig machen? Wie kann man das größer denken? Gleichzeitig möchte ich aber keine große Skalierbarkeit im Sinne “großer Mengen”, sondern eher eine strukturelle Skalierbarbeit, d. h. mehr Kleinbetriebe, für die sich diese Art der Produktion lohnt und dabei kleine lokale Ökonomien aufbauen.

© Dominique Bartels

 

Und wie bist du zu Fibershed gekommen?

Auf Fibershed bin ich durch die Recherche zu meiner Masterarbeit gestoßen. Ich weiß noch, ich hatte an so einem online Seminar vom World Hope Forum teilgenommen, auf dem Rebecca Burghess, die Gründerin von Fibershed in Kalifornien, gesprochen hat und war von ihr und der Idee begeistert. Ich kannte die Bewegung vorher nicht und daher war dies für mich eine Art Ankommen und Finden von Gleichgesinnten. Erst dachte ich, dass es Fibershed nur in Kalifornien gibt, aber meine Recherche hat mir dann gezeigt, dass es ein ganzes Netzwerk aus Fibersheds auf der ganzen Welt gibt. Und als ich dann lernte, dass es sogar eines in der Schweiz gibt, wollte ich mich dort unbedingt engagieren.

Wenn du ein Projekt machen könntest und hättest die Garantie, dass es 100% erfolgreich wäre - welches wäre das?

Haha (lacht) Mein Traum wäre eine große Halle, in der ein ganzer Maschinenpark an Webstühlen steht. In dieser Halle kann man den ganzen Prozess vom Garn zum Kleidungsstück physisch an einem Ort durchlaufen. Man kann hinkommen und wenn man möchte, jeden einzelnen Schritt selber machen - vielleicht in Kursen oder indem man für sich die Geräte mietet, beides wäre möglich.

Industrielle Produktion bei der Weberei Minnotex GmBh in Herzogenbuchsee BE, CH

 

Was gibst du deinen Student:innen mit auf den Weg, was ist die Essenz, die sie aus deinen Kursen mitnehmen sollen?

Ich hoffe, dass ich ihnen meine eigene Begeisterung mitgeben kann, dass sie probieren und experimentieren mit dem, was vor ihnen liegt. Mir ist wichtig, dass sie ein Gefühl für das Material bekommen, mit dem sie sich entscheiden zu arbeiten. Zudem ein Bewusstsein entwickeln für die Verantwortung, die sie in der Rolle als Designer:in haben und wie wichtig eigene Entscheidungen sind. Dass sie Fragen stellen über Produktionsprozesse, Rohstoffe, Umweltauswirkungen und sie daraus ihre eigenen Schlußfolgerungen ziehen. Dann haben wir gemeinsam viel erreicht. Mir liegt viel daran, Aspekte der Nachhaltigkeit in die Ausbildung zu integrieren.

 

Was ist für dich ein erfüllter, erfolgreicher Tag?

Am Ende eines erfüllten Tages habe ich etwas mit den Händen gemacht - am zufriedensten bin ich eigentlich am Webstuhl. Wenn es ein Tag der Lehre war, dann haben meine Studierenden etwas mitgenommen von dem, was sie bei mir gehört oder gesehen haben, und ich konnte mit meiner Begeisterung andere “anstecken “.

@ Dominique Bartels

 

Liebe Mira, vielen Dank für das Gespräch!

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